
Jedes Kind sollte Orgel lernen können
In meinem neuen Podcast „dreiviertel“ habe ich die Organistin und zweifach Mama Johanna Wimmer zu Gast. Sie hat die Orgelschule „Orgel kinderleicht“ gegründet, in der sie es sich zum Ziel gemacht hat, Kindern bereits ab drei Jahren das Instrument Orgel beizubringen. Ich habe sie dazu interviewt, sie gefragt, ob man gläubig sein muss zum Orgel spielen und woher Johanna ihre Begeisterung für die Arbeit nimmt.
Liebe Johanna, schön, dass du da bist. Stell dich doch unseren Hörerinnen und Hörern einmal selber vor.
Ich bin Johanna Wimmer, studierte Organistin und unterrichte seit sieben Jahren Kinder ab drei bis fünf Jahren an der Orgel. Studiert habe ich in Bayreuth und arbeite nun in der Nähe von Bielefeld als Kirchenmusikerin und Kreiskantorin für den Kirchenkreis Herfurth. Dort habe ich auch bereits Kinder im Kindergartenalter unterrichten dürfen.
Du hast vor sieben Jahren ja Orgel Kinderleicht gegründet. Wie kam es dazu, wie hat sich das entwickelt?
Die Idee war da da. „Orgel kinderleicht“ heißt es erst seit zwei Jahren. Davor habe ich einfach unterrichtet.
2007 hatten wir im Studium eine Orgelführung für Kinder und da durften wir als Studenten hospitieren; es waren ca. 100 Kinder dort aus den Kinderchören im Umkreis. Da habe ich gemerkt, wie Kinder auf dieses Instrument anspringen. Ich war der festen Überzeugung, wenn man die jetzt gefragt hätte, ob sie Orgel spielen lernen wollen, hätten 80 von denen bestimmt „ja“ gesagt. Das Problem aber war, dass die Kinder damals so zwischen fünf und 12 Jahre alt waren. In meiner Erfahrung fängt man aber frühestens mit 15 Jahren an, Orgel zu lernen. Man muss ja schließlich erst mal Klavier spielen können. Am besten noch die dreistimmigen Inventionen von Bach. Das finde ich schon sehr herausfordernd. Meine Schüler:innen können das definitiv noch nicht, wenn sie bei mir anfangen.
Da habe ich das erste mal gemerkt: Es kann nicht sein, dass wir die Kinder heiß machen auf das Instrument Orgel und dann sagen „Warte erst mal noch drei bis fünf Jahre“. Da kam mir der Gedanke: Es muss doch irgendwie gehen. Alle anderen Instrumente lernen wir doch auch so früh; siehe Geige oder Klavier. Und da wir wundern uns, dass wir keinen Orgelnachwuchs haben, wenn wir die erst so spät anfangen lassen.
Also habe ich meine Diplomarbeit dazu geschrieben. Und so hatte ich meine ersten Orgelschüler:innen. In dieser Arbeit habe ich gemerkt: Es macht mir unheimlich viel Spaß. Nur leider habe ich nach Abschluss des Studiums keine:n gefunden, der/die diese Arbeit mit meinen Schüler:innen in Bayreuth wirklich weiterführen konnte und wollte.
Wie bist du eigentlich zur Orgel gekommen?
Für mich war die Orgel immer sehr weit weg. Ich hatte schon Klavier, Blockflöte und Trompete gelernt. Wenn ich gedurft hätte, hätte ich auch Harfe gespielt, aber meine Eltern sagten, ich müsse meine Instrumente selber transportiert bekommen. Das ist bei der Harfe eher schwer möglich.
Dann aber spielte meine Mutter im Gottesdienst Klavier und man hatte sie angesprochen, ob sie nicht auch mal Orgel ausprobieren wollte. Sie hat dann vorerst nur mit den Händen gespielt, aber besser als gar nichts. Irgendwann fragte sie dann mich, weil ich ja schließlich auch Klavier spielte; da war ich so im Alter von 14/15 Jahren. Mich hat es nur immer genervt, dass ich diese Pedale nicht spielen konnte.
Mit 16 Jahren habe ich dann Orgelunterricht bekommen und letztlich zwei Jahre später begonnen, Orgel in Bayreuth zu studieren.

Was steckt denn eigentlich hinter „Orgel kinderleicht“?
Zuerst habe ich mit der Abschlussarbeit angefangen zu unterrichten. Anfangs noch mit einer elementaren Klavierschule, aber da haben dann die Kinder jede Stunde gemotzt, wann sie denn endlich mit den Pedalen spielen dürften. Also habe ich begonnen, mir eigene Methoden auszudenken. Im Kindergarten hier in Herfurth ging es dann damit weiter. Irgendwann hatte ich so eine Zettelwirtschaft, dass ich gemerkt habe, ich muss das Sortieren und Strukturieren. Und so entstand die Orgelschule. Fertig war die dann 2019.
Und wie kam es zu dem Namen?
„Kinder“ kommen drin vor, also ist es was für Kinder und naja, „Orgel“. Klar, Orgelspielen ist nicht „Kinderleicht“, wenn man virtuos spielen will, aber es setzt die Hemmschwelle runter. Vor allem haben wir ja ein Problem mit dem Bild von Organisten: Bei vielen ist es ein älterer Mann im Anzug, zwischen Konzertdress und Lehrer-Lempel-like. Entweder ist es ein Hutzeliger, der irgendwelche Tasten drückt und man hoffen muss, dazu singen zu können oder aber es ist der krasse Virtuose, bei dem man nur staunend davor steht. Dieses Bild hemmt ja auch schon ganz viele, sich überhaupt mit der Orgel zu beschäftigen.
Wenn ein Kind sagt, es möchte ein Instrument lernen oder die Eltern ihr Kind musikalisch fördern wollen, was steht da zur Auswahl? Geige, Klavier, Schlagzeug und Gitarre – dann hört es auch schon wieder aus. Mein Ziel ist es, Orgel aus diesem Klischee herauszuholen. Man muss ja nicht gleich das Instrument als altmodisch abstempeln, nur weil alte Musik drauf gespielt wird. Es heißt nicht, dass man keine moderne Musik darauf spielen kann, es wird nur noch zu viel wenig gemacht.
Kommen die Kinder vielleicht auch nicht zu dem Instrument, weil sie nicht so religiös sind?
Ich weiß nicht, wie stark diese Vorstellung ist. Mit den Kindern und Eltern, mit denen ich bislang zusammen gearbeitet habe, hatte ich nicht das Gefühl, das die Religiosität oder der Standort der Orgel in Kirchen eine Rolle gespielt haben. Natürlich muss ich auch nicht gläubig sein, um Orgel spielen zu dürfen. Jedoch stehen die meisten Orgeln in Kirchen, mindestens Toleranz sollte also vorhanden sein. Ich baue schließlich meinen Kurs auf Kinderliedern und Chorälen auf. Einerseits, weil es gut passt, ich aber auch daher komme. Trotzdem, wenn jetzt jemand kommt und sagt „Ich möchte Orgel lernen, kann aber nichts mit Kirche anfangen“, dann sage ich „Hey, wie schön, dass du Orgel lernen möchtest“.
…
Du willst mehr wissen? Weiter geht es im Podcast.
Mehr Informationen zu Johanna Wimmer und ihrer Orgelschule findest du unter: https://orgel-kinderleicht.de/

Menschen für Glaube und Musik begeistern
Das ist mein Arbeits- und Lebensmotto. Am liebsten erreiche ich dieses Ziel durch meine Arbeit als Gestalterin und Fotografin. Da ich finde, Begeisterung sollten wir teilen, spreche ich mit herausragenden Persönlichkeiten, die ebenfalls auf diesem Weg sind; jeder und jede auf seine/ihre Weise. Mal mehr im religiösen Kontext, mal mehr in der Musik.