
„O Fortuna“ oder „Der Schalk steht vorne“
Das Philharmonische Orchester Würzburg spielt gemeinsam mit der Jungen Philharmonie Würzburg Carmina Burana
Freiwillig ein Vorspiel vor Profimusikern auf sich nehmen, nur um in einem Orchester mitspielen zu dürfen, in dem man all die Jahre nie hatte vorspielen müssen, Stress im Studium, da man Kurse ausfallen lassen muss und dazu nur ein Konzert am Ende? Ja, genau. Und das sogar mit großer Freude.
Zugegeben, ich liebe solche Vorspiele: Klavierbegleitung an der Seite, gespannte Gesichter der Zuhörer und am Ende ein Ergebnis irgendwas zwischen hop und top. Bei mir geht es da um nichts mehr. Entweder bin ich dabei – oder eben nicht. Aus diesem Grund war meine Vorbereitung auf das Vorspiel etwas, sagen wir, kurzfristig. Seit knapp zwei Jahren keinen Klarinettenunterricht. Aber da gab es ja ein Stück, dass lief damals super, warum heute also nicht mehr? Meine Wahl fiel auf das Concertino von Weber. Mit der Einsicht, „es wird nicht perfekt, aber ganz brauchbar“, läuft vieles. Und wie das Schicksal es wollte, gefiel meine Darbietung den sieben Zuhörern aus dem Philharmonischen Orchester Würzburgs und ich war Teil des Projekts „Carmina Burana“. O Fortuna!
Ein großes Vorhaben
Vielleicht sollte ich an dieser Stelle mal den Sinn und Zweck des ganzen Vorhabens erklären: Anlässlich der Osterphase der Jungen Philharmonie Würzburg sollte eine Großproduktion des Werkes „Carmina Burana“ gemeinsam mit der JuPhi, dem Philharmonischen Orchester Würzburg, deren Sänger, einem Kinderchor und einem Projektchor auf die Bühne gebracht werden. Da die Bühne zu klein sei, dürften nicht alle jungen Instrumentalisten mitspielen und es gab oben erwähntes Vorspiel. Warum wir dann schlussendlich sechs Klarinetten (einer davon Profi) auf der Bühne waren (3 wären nötig gewesen), konnte uns keiner erklären. Der 60 Kids starke Kinderchor wurde jedoch aus Platzgründen im Konzert in den Zuschauersaal zum Singen versetzt.
Zum verrückt werden
Die Überraschung über die Zusage war erfreulich, erfreulicher jedoch war der Inhalt: Es-Klarinetten Noten. Ich hatte nie zuvor eine solche im Orchester gespielt, wollte es aber immer einmal ausprobieren. Ausgelernt hat man ja schließlich nie. Nachdem also endlich über zig Umwege dieses Instrument organisiert war und ich mit Blättern ausgestattet war, stellte sich mir ein grundlegendes Problem: Hilfe, ist die klein! Das ist ein größeres Problem, als man meint. Denn hat man sich dann mal an die scheinbare Winzigkeit des Instruments gewöhnt, ist ein Spielen auf der „normalen“ B-Klarinette nicht mehr möglich. Und wenn ich meine „nicht mehr“, meine ich „nicht mehr“. Es ist zum verrückt werden: weder die Finger treffen die Löcher, noch bekommt man einen anständigen Ton raus. Zwei Instrumente, die eigentlich gleich sind und doch beherrscht man nach zehn Jahren Üben scheinbar keines mehr richtig. Deprimierend, aber überwindbar.


„Wenn du groß wirst, willst du dann mal eine Klarinette werden?“
An alle, die leise üben, damit ja nicht die Nachbarn von der Musik gestört werden: Ihr habt noch nie auf einer Es-Klarinette gespielt. Sie sieht so süß aus (Zitat eines Trompeters: „Wenn du groß wirst, willst du dann mal eine Klarinette werden?“), benötigt aber eigentlich einen Waffenschein. Regelmäßiges, ausdauerndes Üben habe ich mir also vor der Woche erspart.
Luftballons aufpusten, Mundstück verschlucken, Feueralarm spielen
Geprobt wurde im alten Mozartgymnasium (MOZ) und im Wirsberg Gymnasium. Dozenten waren unsere zukünftigen Pultnachbarn: die Instrumentalisten des Philharmonischen Orchesters. Registerproben sind so eine Sache für sich, wenn das Stück eigentlich erst im Tutti schwierig wird. So waren wir schnell durch die Noten durch und ich hatte das Glück, einer kleine Klarinettenstunde auf der Es zu erhalten. Denn zugegeben, ich bekam nun aus allen Klarinetten wieder Töne raus (zumindest meistens), aber schön war das noch lange nicht. Und intonatorisch richtig erst recht nicht. Luftballons aufpusten, Mundstück verschlucken, Feueralarm spielen. All das sollte mir irgendwie weiterhelfen, am Konzert richtige Töne spielen zu können. Zugegeben, es war eine Herausforderung, aber an denen lernt man ja bekanntlich am meisten.
Die Tuttiproben im MOZ gestalteten sich weitestgehend sehr unterhaltsam. Aus irgendeinem Grund hatte man die Turnhalle, in der geprobt wurde, nicht voll ausgenutzt fürs Orchester, sondern stand, wenn man rein oder rauswollte, mitten in den Geigen oder Celli. Dabei wäre hinten noch die halbe Halle Platz gewesen. Die anfängliche Warnung in der Registerprobe, in den großen Proben werde sich nicht fremdbeschäftigt oder gar geredet, wurde spätestens dann ignoriert, wenn ich einen Blick über meine linke Schulter zum hohen Blech warf. Andererseits, die Hörner amüsierten sich auch nicht schlecht.

Spaß muss sein
Wir sollten spielen, als würden wir uns einen Schalk vorstellen – „den muss ich mir nicht vorstellen, der steht vorne“, kommt es von links aus meinem Register. „Luft, lauter, atmen“, kommt es von rechts, meiner persönlichen Profi-Motivatorin für die Es-Klarinettenstellen (Danke nochmal!). Die Posaunen sollten ausdünnen – bei gefühlten zehn Posaunen kein Wunder – und für das Fagottsolo wurde anerkennend geklatscht – wohlgemerkt für einen von uns jungen. Am Konzertmeisterpult sitzt ein kleiner Blondschopf. Der Sohn einer ehemaligen Lehrerin von mir und gleichzeitig der Spross des Konzertmeisters. Während es oftmals schien, als nähmen die Streicher die Probe etwas zu ernst, hatte das Vater-Sohn-Gespann reichlich produktiven Spaß. Was uns meist unbeschäftigten Bläsern, weit weg vom Dirignten Enrico Calesso, deutlich zu Unterhaltung diente.
Neben all dem Schmarrn, den wir so in den Proben trieben, war es vor allem eines: unglaublich laut. Netterweise hatte ich erst gegen Ende der Woche bemerkt, dass mein scheinbar immer vergessener Gehörschutz schon die ganze Woche in meine Klarinettentasche liegt. Pech gehabt. Hören tue ich aber noch.
„Und jetzt die Es-Klarinette“
Die Proben waren spannend, die Musik finde ich, entgegen der Meinung manch anderer, alles andere als ausgelutscht oder unspektakulär. Und wenn man parallel noch die Möglichkeit hat, mit super Leuten Musik zu machen und ein toller Dirigent einen schelmisch angrinst „und jetzt die Es-Klarinette“, dann kann man sich echt nicht beschweren.
Beziehungsweise: Halt. Stopp! Doch – kann man. Das Konzert dieses Projektes war bereits vor unserer Zusage zum Mitspielen komplett ausgebucht. Also wurde kurzerhand die Generalprobe zum Verkauf geöffnet, meiner Meinung nach vor allem für Stundeten und Schüler zu hohe Preise verlangt und alle hatten Konzertklamotten anzuziehen. Der Hinweis zu Beginn der sogenannten Generalprobe, es handele sich ja um eine Probe, rettete den eigenartigen Beigeschmack nicht, nur Publikum zweiter Klasse vor sich sitzen zu haben.


Nicht perfekt – aber was soll’s?
Die Konzerte selbst waren absolut gigantisch. Wer schon mal von einem „O Fortuna“ weggeföhnt oder von einer super süßen Solosopranistin, die den Kinderchor anfeuert, verzaubert wurde, weiß, was ich meine. Klar, hier und da waren sich Chor und Orchester nicht über das Tempo einig und interessierten sich nicht für das Dirigat. Aber was soll’s? Dass ein Schlagzeuger mal in eine Generalpause reinhaut. Ja, aber was soll’s? Wir sind doch nur Laienmusiker mit exzellenten Profis ihres Faches an unserer Seite und wir wollen unseren Spaß. Und das bedeutet nun mal, es können Fehler entstehen.
Und wenn sich dann sogar drei Musiker beschweren, die Es-Klarinette sei zu laut gewesen – dann ist das nur ein Triumph mehr. O Fortuna, danke für diese Erfahrungen!